21.05.2025

„Weniger Süppchen, mehr System“. Caro über Smart Payments & echte Veränderung in der EV-Branche

In diesem Interview sprechen wir mit Caroline als Expertin für E-Mobilität und Smart Payment. Sie ist als Frau in der EV-Welt unterwegs. Das sollte nicht ungewöhnlich sein, jedoch bleibt die (Elektro-)Mobilitätswelt eine Männerdomäne. Wir fragen nach ihren Erfahrungen im ersten Jahr: Welche Herausforderungen hat sie erlebt? Wie unterscheidet sich die EV-Branche von der traditionellen Automobilbranche? Und was hat sie am meisten überrascht und herausgefordert? Außerdem: Entwicklungen im Bereich Smart Payments, darunter neue Zahlungslösungen für Ladeinfrastruktur und der Einfluss von Digitalisierung auf das Nutzerverhalten.

Du hast viele Jahre in der Industrie im Familienunternehmen gearbeitet. Was hat dich zum Wechsel bewegt?

Ich bin wahnsinnig dankbar für die vielen ereignisreichen Jahre, in denen ich die Möglichkeit bekommen habe, vollen Fokus auf die berufliche Weiterentwicklung innerhalb unseres Familienunternehmens zu legen. Wir haben gemeinsam mit den Menschen, denen ich privat und beruflich am meisten Vertrauen schenke, großartige Dinge in der Industrie umgesetzt. Aber nicht ohne einen Preis: ständige Umzüge und immer wieder Neustarts an neuen Orten waren zuletzt mit meiner privaten Familienplanung nicht mehr vereinbar. Deshalb bin ich mit sehr viel Freude in die GLS Mobility eingestiegen. Hier habe ich die Möglichkeit Dinge zu bewegen, eine Aufgabe zu erfüllen, die mich sehr reizt, und trotzdem Teil des Alltags meines Sohnes zu sein und für ihn die Stabilität, die er zum Heranwachsen braucht zu sichern.

Was ist für dich in der EV-Welt die größte Herausforderung? Was hat dich positiv überrascht?

An Herausforderungen mangelt es in der EV-Welt nicht. Besonders bemerkenswert finde ich allerdings, dass viele dieser Herausforderungen dadurch entstehen, dass wir als Branche es nicht schaffen, einen Konsens zu erarbeiten und uns auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zu einigen, der als goldene Regel in allen wirtschaftlichen Bereichen und Branchen gilt: Wir müssen dafür sorgen, dass die Entscheidung für die Endkund*innen so einfach wie möglich gemacht wird, und sie mit ihrer Wahl für ein elektrisch betriebenes Auto, Geld in „unsere Bubble“ bringen.

Stattdessen beobachte ich, dass in der gesamten Branche in allen Bereichen Insellösungen entwickelt werden. dabei spielt es keine Rolle, ob es um die Ladestation selbst geht, um die Bezahlung für den Strom, um Fördertöpfe, oder sogar um das politische Backing. Alle kochen ihr eigenes (zum Teil ja auch sehr leckeres) Süppchen. Das macht es für porenzielle EV-Driver unübersichtlich und teuer und hält sie im Endeffekt davon ab sich für ein EV zu entscheiden.

Positiv überrascht mich jeden Tag wie viele unterschiedliche Menschen richtig Lust haben Dinge zu bewegen. Ganz plastisch lässt sich das an einem Beispiel für mich deutlich machen: In der Industriewelt, aus der ich kommen, war ich fast 20 Jahre lang grundsätzlich immer die einzige Frau am Verhandlungstisch. Bei GLS Mobility und auch bei den Partnern, mit denen ich heute zusammenarbeiten darf, ist es eine absolute Ausnahme, wenn ich die einzige Frau bin. Ganz im Gegenteil: zum ersten Mal in meiner ganzen Karriere treffe ich auf Menschen mit ganz anderen Lebensentwürfen und Zielen in allen möglichen Bereichen ihres Lebens.

Wie siehst du deine Rolle als Frau im EV-Markt? Unterscheidet sich dein Eindruck von dem aus der Automobilbranche?

Ich habe schon immer verstanden, dass ich als Frau in der Industrie eine ganz eigene Rolle spiele: grundsätzlich vom ersten Moment unterschätzt und belächelt zu werden ist etwas, das man aushalten können muss und was einem nicht beigebracht werden kann.

Selbstverständlich kann auch ich von vielen Situationen berichten, in denen ich jedes Recht gehabt hätte klare Grenzen aufzuziehen und besonders verbale Kommentare zu unterbinden.

Ich habe mich immer dafür entschieden den Fakt zu nutzen, dass (1) sich jede*r in jedem Raum immer an mich erinnert, nur weil ich die einzige Frau bin und (2) ich ja grundsätzlich immer nur positiv überraschen konnte mit meinen Ergebnissen, weil die Erwartungshaltung niedrig war. Wir haben schon sehr große Fortschritte gemacht in den letzten 20 Jahren, und ich bin dankbar einen kleinen Beitrag in der deutschen mittelständischen Industrie dazu geleistet haben zu dürfen, aber noch weit weg von dem Idealzustand, in dem alle(!) Kapazitäten von uns als Gesellschaft genutzt werden und Hürden abgebaut sind.

Smart Payments ist die Zukunft der Ladeinfrastruktur. Welche Entwicklungen werden noch besonders wichtig?

Zwei Dinge sind für mich klar:

Ich habe einen höhere Erwartungen an den Technologie Standort Deutschland was Innovation angeht und gleichzeitig muss Innovation an der richtigen Stelle angesetzt werden.

Es gibt so viele Fragen, die fantastischer Innovationen bedürfen, warum halten wir uns dann damit auf Dinge neu zu erfinden, für die es in allen Bereichen unseres Alltags schon fertige Lösungen gibt?  Beispielsweise beim Einkaufen im Supermarkt: Natürlich gibt es Payback Programme und Kundenbindungsprogramme, aber JEDE*R Kund*in hat die Möglichkeit, unkompliziert und barrierefrei einzukaufen.

Oder an der Tankstelle: Selbstverständlich gibt es Tankkarten und Bonusprogramme, aber alle Kund*innen können mit ihrer Bankkarte unkompliziert an der Kasse Benzin und Diesel kaufen. In der Bahn sieht es ähnlich aus: Hast du eine Bahncard? Toll, dann kriegst du Rabatt, oder kannst über Bahn Business Sonderkonditionen aushandeln. Aber klar doch, dass jede*r auch ohne Mitgliedschaft unkompliziert ein Bahnticket kaufen kann.

Wie blickst du auf die nächsten Jahre? Welche Chancen und Herausforderungen erwartest du für die Branche und welche Rolle möchtest du persönlich darin spielen?

Ich bin und bleibe überzeugte EV-Fahrerin und das in erster Linie, weil es so viel Spaß macht das elektrische Auto zu fahren. Klar hilft es auch, dass das mit einem guten Gewissen verbunden sein kann, aber das ist bei mir persönlich gar nicht die erste Motivation. Es macht einfach Sinn und mehr Spaß! Und wenn wir es als Branche hinbekommen jetzt (schneller als bislang!) weg von „alle machen ihr eigenes Ding“ zu kommen, dann sogar auch wirtschaftlich für die Fahrer*innen und den Technologie Standort Deutschland insgesamt.


Das ist für mich so logisch, so klar, so offensichtlich, dass ich manchmal daran verzweifle, wie schwer es ist einen Konsens in unserer Gesellschaft zu finden. Und daran möchte ich mich beteiligen. Jeden Tag!